Brauchen Autoren schöne Schriften?

Brauchen Autoren schöne Schriften?

Jan Middendorp (NL)

Ist das große Interesse an Schriften nicht eher Liebhaberei, Fetischismus? Braucht auf Inhalte und Ideen gerichtetes Design mehr als Times und Helvetica?

Viele GrafikdesignerInnen, die einen konzeptionellen Ansatz für sich beanspruchen und sich selbst als »AutorInnen« bezeichnen, scheinen davon überzeugt zu sein, dass Aufmerksamkeit für das typographische Detail lediglich von der Essenz ablenkt. Auf Inhalte und Ideen gerichtetes Design, so folgern sie, sollte nicht der Eleganz der Form frönen – Überlegungen zur Schriftwahl sind für sie nicht mehr als typographischer Fetischismus. Daher rührt die im zeitgenössischen Grafikdesign zu beobachtende Vorliebe für die Verwendung von Standard-Schriftarten, welche der Arbeit eine »undesignte« Erscheinung verleihen: Times, Helvetica, Arial, Courier.  Das alles haben wir natürlich bereits erlebt, in der Kunst wie auch im Design. In der Vergangenheit behaupteten GrafikdesignerInnen, objektive, unpersönliche, unsichtbare Arbeiten anzustreben – als Medium, das hinter die Inhalte zurücktritt. Rückblickend wirken diese Arbeiten oftmals erstaunlich eigenwillig und bringen eine starke stilistische Vision zum Ausdruck. Könnte die heutige »Nicht-Gestaltung«, das »Default-Design«, das Ergebnis eines ähnlichen Missverständnisses sein? Ist es DesignerInnen überhaupt möglich, AutorInnen zu sein und trotzdem typographisch interessante Arbeiten zu schaffen?  Jan Middendorp, vielfach beschäftigter Autor und einer der profundesten Kenner der typografischen Entwicklungen weltweit, präsentiert in seinem Vortrag in Innsbruck eine kurze Untersuchung zu solchen und ähnlichen Fragestellungen.

Jan Middendorp, geboren in Den Haag (NL), ist seit Mitte der Neunziger »type writer«: Er schreibt über Schrift. Bekannt wurde er mit Dutch Type, einer Übersicht der Schriftgestaltung in den Niederlanden (2004, ausverkauft). Mit Erik Spiekermann war er Herausgeber von Made with FontFont (2006), und mit Alessio Leonardi machte er eine Bildergeschichte von Linotype (A Line of Type, 2006). Er schreibt regelmäßig unter anderem für die internationale Designzeitschriften Eye und Baseline und ist als Redakteur von Newslettern für MyFonts.com tätig. Als Berater, Autor und Übersetzer arbeitete er in den letzten Jahren für Schriftverlage wie FontShop, Linotype und LucasFonts und für die Verlage BIS Publishers, Gestalten, Ypsilon und Phaidon. Als Gestalter macht er vor allem Buchcover für den Belgischen Lannoo Verlag. Seit 2005 wohnt er in Berlin.

Publikationen

  • Jan Middendorp/TwoPoints.Net: Type Navigator: The Independent Foundries Handbook, Gestalten Verlag, ISBN 978-3899553772
  • Jan Middendorp: Dutch Type, 010 Uitgeverij, ISBN 978-9064504600
  • Shaping Text (2012)
  • Playful Type 2 (2010)
  • Creative Characters (2010)
  • A Line of Type (mit Alessio Leonardi, 2006)
  • Made with FontFont (mit Erik Spiekermann, 2006)
  • ›Ha, daar gaat er een van mij‹. Kronik des Grafikdesigns in Den Haag, 1945-2000 (2002)
  • Lettered: Typefaces and Alphabets by Clotilde Olyff (2000)
  • Artikel für Eye Magazine, Baseline, TYPO, Items, MyFonts.com, uva.

Weiterführende Links
www.dorpdal.com

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